Das Haus

Denes | Oct. 23, 2025, 7:31 p.m.

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Akeno starrte auf die massive, zweieinhalb Meter hohe Tür aus altem, grün lackiertem Holz. Sein Herz raste, und eine Welle der Nostalgie überkam ihn, als er mit seiner Verlobten Daya vor dem Haus stand, in dem er aufgewachsen war. Durch einen Zufall hatte er die alte Villa auf Airbnb entdeckt und sofort für ein Wochenende gebucht, um in seine Kindheit einzutauchen.

«Da... das ist es!», stieß er hervor, die Worte halb von der Aufregung verschluckt. Seine Augen fielen auf den Schlüsselsafe an der Wand. Hastig kramte er sein Handy hervor, suchte in seinen E-Mails nach dem Code des Vermieters und tippte die Zahlenkombination eifrig in das Tastenfeld.

Ein leises Klicken ertönte. Der Safe sprang auf und gab den Schlüssel frei.

Mit zitternden Händen steckte Akeno den Schlüssel in das rostige Schloss. Mit einem lauten, knarrenden Geräusch, als würde sich das Holz nur widerwillig bewegen, gab die Tür nach. Ein breites Grinsen erhellte Akenos Gesicht. «Jetzt machen wir uns ein richtig schönes Wochenende», sagte er euphorisch zu Daya und zog sie mit sich.

Sie traten in den Flur der großen, alten Villa und brachten ihre Taschen in die Küche. Akeno stellte eine Flasche Wein kühl, bevor er Daya bat, ihm zu folgen. «Ich muss dir das Haus zeigen.»

Vom Flur bogen sie rechts in einen fensterlosen, dunklen Raum ab, den Akeno nur streifte, um direkt in seinen ehemaligen, hellen Wohnraum zu gelangen. Große Fenster und eine verglaste Terrassentür fluteten den Raum mit dem letzten Abendlicht. Ein weiterer Rechtsbogen führte sie schließlich ins Schlafzimmer.

Daya blieb überwältigt auf der Schwelle stehen. Das Zimmer wurde von einem halbkreisförmigen Gewölbe mit hohen Fenstern gekrönt, die das letzte Sonnenlicht einfingen. In der gebogenen Nische stand ein Klavier, und an der rechten Wand thronte ein großes Doppelbett.

Zurück in der Küche, füllte Akeno zwei Gläser. Sie stießen an und vertieften sich in Gespräche, während Akeno ihr Geschichten aus seiner Kindheit erzählte, die jede Ecke des Hauses lebendig werden ließen. Draußen verdunkelte sich der Himmel, und die Straßenlaternen erwachten mit einem sanften, orangefarbenen Schein.

Als die Flasche leer war, machte sich eine behagliche Müdigkeit breit. Hand in Hand beschlossen sie, zu Bett zu gehen, umgetrieben von der Vorfreude auf den nächsten Tag in Akenos vergangener Welt.

Mitten in der Nacht erwachte Akeno jäh. Ein eisiges Kribbeln kroch um seine Schläfen, ein Gefühl, als würde unsichtbarer Frost seinen Kopf berühren. Er blickte sich um. Alles war still, getaucht in ein schwaches, gespenstisches Licht, das die Vorhänge der Straßenlaternen in lange, verzerrte Schatten an die Wände warf.

Von Durst geplagt, schwang er leise die Beine aus dem Bett. Behutsam, auf Zehenspitzen, verließ er das Schlafzimmer, um Daya nicht zu wecken. Sein Weg führte ihn durch das alte Wohnzimmer, dann in das fensterlose Esszimmer – und hier, mitten in der undurchdringlichen Schwärze, überfiel es ihn.

Ein dröhnender Druck setzte in seinem Schädel ein, der sich mit jedem Schritt in Richtung Flur unerträglich steigerte. Ihn umfing eine eiskalte, negative Energie, eine Präsenz, die ihn zu ersticken drohte. Als der Schmerz seinen Höhepunkt erreichte, fühlte er sich bleischwer, als würden unsichtbare Ketten ihn zu Boden ziehen. Er brach auf die Knie, krallte die Hände an seinen Kopf und rappelte sich dann mühsam hoch. Der Flur war unerreichbar. Panisch flüchtete er zurück ins Schlafzimmer.

«Daya. Daya, wach auf!», flüsterte er heiser und rüttelte sie an der Schulter. «Etwas... etwas stimmt hier nicht!»

Sie murmelte verschlafen. «Was ist denn? Lass mich schlafen.»

«Da ist etwas in diesem Haus. Ich spüre es!»

«Ach, Akeno», seufzte sie genervt und rieb sich die Augen, «das bildest du dir nur ein. Du leidest unter Schlafmangel. Komm, leg dich hin.»

«Okay», erwiderte er trotzig. «Wenn es nur Einbildung ist, dann komm mit mir in die Küche. Wenn du dann immer noch nicht glaubst, was ich sage, lasse ich dich in Ruhe.»

Unwillig willigte Daya ein. Gemeinsam verließen sie das Schlafzimmer. Doch als sie das dunkle Esszimmer betraten, erstarrte Daya plötzlich. Ein eisiger Schrecken überrollte sie.

«Ich will nicht weiter», hauchte sie. «Da vorne... beim Flur... ist etwas Böses.»

«Lass uns einfach schnell zur Küche gehen», sagte Akeno, doch seine Stimme bebte, als er die Worte aussprach.

Sie rafften ihren Mut zusammen und eilten durch die düstere Energie hindurch. Im Flur angekommen, wurde ihr Blick wie magnetisch von einer Tür auf der rechten Seite angezogen. Oben an der Tür befanden sich kleine, milchige Fenster, durch die man ein flackerndes, unnatürliches Licht zu erkennen glaubte, ohne hineinsehen zu können.

Vor der Tür, auf dem Boden, lag eine groteske Puppe aus schwarzem Stoff. Sie war haarlos, mit Knopfaugen, und in ihrer rechten Hand hielt sie einen Stab, auf den wie Trophäen kleine, spitze Zähne aufgespießt waren. Als Akeno sie berührte, durchzuckte ihn eine solche Ekel- und Angstwelle, dass er sie sofort fallen ließ.

Daya streckte langsam, wie in Trance, ihre Hand aus und ging auf die Tür zu. Plötzlich ertönte ein tiefes, gutturales Gurren von der anderen Seite. Ein massiver Schatten bewegte sich hinter dem milchigen Glas. Das Geräusch ließ ihnen das Blut in den Adern gefrieren.

Daya, immer noch willenlos, griff nach dem Türknauf. «Nein!», zischte Akeno, packte ihren Arm und riss sie brutal zu sich zurück. Ihr Blick war leer und abwesend, als erwache sie gerade aus einem Albtraum.

«Wenn du diese Tür öffnest», flüsterte er mit erstickter Stimme, «sind wir für immer verloren.»

Plötzlich unterbrach ein lautes Kratzen an der Tür Akeno. Gerade so als würde jemand mit seinen Fingernägeln über den Boden Kratzen.

Beide wandten sich langsam dem Zimmer zu, als sie eine Hand sahen, die sich unnatürlich durch den schmalen Schlitz unter der Tür quetschte und blitzschnell nach der Puppe griff und sie zu sich in das Zimmer zerrte.

Akeno zog Daya zurück ins Schlafzimmer. Die ganze Nacht kämpfte Akeno gegen den Druck in seinem Kopf an, murmelte beschwörend vor sich hin: «Lass uns in Ruhe. Du bist hier nicht willkommen. Geh weg. Geh weg!»

Als die erste Morgendämmerung grau durch die Fenster kroch, packten sie schweigend ihre Sachen und flüchteten aus dem Haus. Draußen angekommen, blieb Akeno einen Moment stehen und blickte wehmütig und fassungslos zurück. Er konnte nicht begreifen, wie so viel Bosheit in sein einstiges Zuhause hatte einziehen können – und fragte sich, welch schreckliches Geschehen diese dunkle Energie hinterlassen haben mochte.


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